HessenGefängnisse

 damals, gestern und heute


im Rahmen der internationalen Entwicklung

 angereichert durch persönliche Erfahrungen



 Hessen war schon mal mehr als das heutige Bundesland. Niederlahnstein, Oberlahnstein, Bad Ems, Kaub,

Mainz, Worms,  Aschaffenburg  im Großherzogtum Frankfurt (1810-1813) waren auch mal Hessen,

 sogar Bad Wimpfen als Frankfurter Enklave. 


Schmerzlich willkommen! 


gertlinz@web.de


 Letzte Bearbeitung 22.10.2023 - 11:30 Uhr


"Schöner Sitzen" - Der Umzug eines Untersuchungshaftgefängnisses - https://www.youtube.com/watch?v=_wg3J2JDfD4


oben:  Strafanstalt Preungesheim bei Frankfurt > 1889 - aus   Frankfurt und seine Bauten,


Neuer Text


Reichskammergericht

1495 | Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation                      18. Juli 2019    -  
Das Reichskammergericht

Im Jahr 1495 gründete Kaiser Maximilian I. im Zuge der Reichsreform und der Proklamation des „Ewigen Landfriedens“ das Reichskammergericht als oberstes Gericht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Es hatte die Aufgabe, anstelle von Fehde, Gewalt und Löse-gelderpressung ein geregeltes Streit-verfahren vor Gericht durchzusetzen und damit Konflikte in friedliche Bahnen zu lenken. Nachdem das Reichskammergericht zunächst in Frankfurt am Main, dann in verschiedenen süd- und südwestdeutschen Städten residierte, hatte es seinen Sitz ab 1527 in Speyer und nach dessen Zerstörung von 1689 bis zum Ende des Alten Reichs 1806 in Wetzlar. Im 19. Jahrhundert geriet seine historische Bedeutung weitgehend in Vergessenheit. Erst im 20. Jahrhundert betonte die Forschung die Relevanz des Gerichts für die geschichtliche Entwicklung.
https://www.wetzlar.de/kultur/museen/reichskammergerichtsmuseum.php
In den Zeiten der Hexenverfolgungen haben Rechtshilfe suchende Stadtverwaltungen immer wieder Universtäten zu Gutachten aufgefordert, aber auch das Reichskammergericht, wie die folgenden Berichte zeigen.

1603 | Fulda
... Blasius Bien aber war  keine einfluss- und wehrlose Person aus der "Unterschicht", sondern ein Exponent aus der gemeindlichen Selbstverwaltung, der offenbar Kenntnis von dem ihm zu Gebote stehenden Rechtsmitteln hatte - er erhob wegen der Verhaftung seiner Frau, aufgrund der menschenunwürdigen Haftbedingungen und aus Angst vor einer bevorstehenden Folterung,Klage beim Reichskammergericht in Speyer und beantragte ein Mandat...Dass Bien vor dem Reichskammergericht das Armenrecht in Anspruch nahm und somit kostengünstig prozessieren konnte,hängt aber wohl mit bereits getätigten Auslagen für seine inhaftierte Frau zusammen, die seine finanziellen Ressourcen beeinträchtigt hatten.
Das Reichskammergericht erließ am 27. Juli 1603 ein Mandat, wonach dem fuldischen Gericht untersagt wurde, Frau Bien ohne erhebliche und Im rechten zugelassene Anzeigung und Indicien zu foltern; außerdem sollte die Angeklagte in ein anderes Gefängnis verlegt und ihr die Kontaktaufnahme mit Freunden und Advokaten zu Verteidigungszwecken gestattet werden, um den rechtlichen Vorschriften Genüge zu tun. 
 aus Jäger,..das das recht und überaus grosse sengen und brennen, S. 29f

1612 | Gelnhausen
Angeregt durch den Fettmilchaufstand in Frankfurt bildete sich 1612 in Gelnhausen ein Bürgerausschuss, der seine Gravamina dem Stadtrat vortrug. Da ging es um viele Klagen, besonders aber verlangt man von dem Stadtrat, die Zauberer und die Zauberey zu bekämpfen, damit das Unkraut ausgerott, auch die frommen und unschuldigen beschützt, damit Schaden und Unglück abgewehrt und nicht Vatter und Kind letztlich gestraft werden möchten. 
Der Rat sah sich wegen der zauberisch Sachen in der Klemme. Er hatte auf ungestümes und unnachlässiges Anhalten der Bürgerschaft zwei Weibspersonen, die schon lange der Zauberei verdächtig waren, zur Haft gezogen und uf theils gütliche, theils ganz geringe peinliche Frag vom Leben zum Todt mit dem Schwert hingerichtet. Hernach war die eine mit Feuer verbracht, die andere wegen geschehener vielfältiger Vorbitt begraben worden. 
Nun verlangten die Mitglieder des Bürgerausschusses, man solle auf andere Personen inquiriren, sie zur Haft ziehen und wie mit den beiden anderen procediren. Sie griffen damit in die Zuständigkeiten des Rates ein. Wegen des ungestümen und täglichen Verlaufs und weil die Stadtoberen fürchteten, es könne daraus anderes übel entstehen, gaben diese dem Drängen nach und leiteten Untersuchungen gegen die Hausfrau Anna des Franz Nenus und den Mitratsfreund Adam Runkel ein. Das Schlimmste aber wollten die Ratsherren vermeiden. Sie stellten darum der Bürgerschaft vor, ehe man mit der Gefangennahme und Tortur der beiden Angeklagten begänne, wolle man die Anschuldigungen auswärtigen Rechtsgelehrten vorlegen und deren Urteil abwarten…So wandte sich der Rat an die Universitäten in Gießen und Marburg. Die Gutachter dort lehnten ein Vorgehen wegen angeblicher Zauberei ab. Bis aber die Auskunft in der Kinzigstadt eintraf, hatte der Rat aus Furcht vor der eigenen Bevölkerung Anna Nenus als plebeia in den hierzu verordneten Turm, den Fratzenstein (Fotos) gesetzt und Runkel im Rathaus verstrickt.
Am Mittwoch, dem 16. Juni, einem gewöhnlichen Ratstag, dringt daraufhin ein Haufen Bürger von etwa 60 Personen in das Rathaus ein und schickt nach Frankfurter Vorbild acht gewählte Vertreter zu Verhandlungen vor. Sie verlangen die Aushändigung der Universitätsgutachten und die Überführung Runkels in das Gefängnis. Als der Magistrat das zunächst verweigert, sperren sie ihre Stadtväter im Rathaus ein und hindern sie gewaltsam am Verlassen des Gebäudes. Bis diese schließlich nachgeben, die Rechtsbescheide öffentlich machen und Runkel in einer Zunftstube festsetzen, wo man ihn nicht von zu Hause, son dern von einer Wirtschaft verpflegt. Der Aussschuß verlangt, das Verfahren gegen die beiden Gefangenen einzuleiten und droht mit der Einschaltung der Kurpfalz und Hanaus. drei Tage später erscheinen die Bürger wieder auf dem Rathaus und fordern die Tortur der Gefangenen. Denn sie schrieben der Hexerei und den Hexen alles Unglück zu Haus und im Feld gotteslästerlich zu, achteten das Gießener und Marburge Konzilum nicht, sagten öffentlich, sie gäben nichts auf die Doctores, denn diese wären nicht ihre Obrigkeit und bezahlten ihnen nicht die Schäden, die ihnen die Zauberei zufüge. Die Ratsherren fürchteten, daß die Bürger letztendlich nach dem Scepter und Schwerdt greifen mögten und beauftragten durch heimliche Boten den Doktor beider Rechte Christopherus Chemnicius in Worms, daß er für sie ein Mandat in Speyer erwirke. Das Reichskammergericht befiehlt schon am 28. Juni den Gelnhäuser Bürgern, von allen Tätlichkeiten abzustehen, Schöffen und Rat in ihrer Prozessführung freie Hand zu lassen und Gehorsam gegenüber ihrer Obrigkeit zu wahren. Wenig später verliest der Botenmeister des Gerichts sämtlicher Bürgerschaft das Mandat, das man im Ratshaus an ein Brett nagelt. Doch die gerichtlichen Anordnungen kommen zu spät.....Eingeschüchtert von äußerer Gewalt, hat der Rat, Adam Runkel und die Hausfrau Anna Nenus zum Schwert und Feuer verdammt. Und der Rat gibt sich selbst die Begründung dazu, daß nämlich das abscheuliche Unkraut und hochsträfliche Laster der Zauberey damit ausgerottet werde.
aus Ackermann, Jürgen - Gelnhausen, S.66f

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