Oberlahnstein
Hexenverfolgungen in Oberlahnstein –
Niederlahnstein gehörte zu Trier, war „Ausland“
Historiker schätzen, dass im 16. und 17. Jahrhundert mehr als 48.000 Menschen in Deutschland diesem Hexenwahn geopfert wurden. Es begann eine wilde Verfolgung völlig harmloser Personen, denen man Verzauberung von Menschen, Tieren und Feldfrüchten, aber auch sträflichen Verkehr mit dem Teufel vorwarf. Besonders schöne Menschen, außergewöhnliche Hässlichkeit, verkrüppelte Frauen und Männer, Menschen mit ernster Natur oder mit ausgelassener Heiterkeit, Frauen und Männer mit roten Haaren wurde als Hexen bezeichnet und solange gefoltert, bis sie bekannten, entweder verhext oder selbst eine Hexe zu sein. In vielen Städten wurden um diese Zeit besondere Zauberspürer eingesetzt, so ist in Oberlahnstein um 1630 ein Johann Weißbecker als „magiae inquisitor“ eingesetzt. Er hatte jeden Bürger zu beobachten und anzuzeigen, der entweder verhext oder als Hexe anzusehen war.
Richtstätten befanden sich auch in der Neuerburg, die im Nordwesten der Stadtbefestigung lag (westlich des heutigen Pfarrhauses), sowie „uff die Schlierbach“. Am Schlierbach, nahe der Braubacher Grenze, stand der Galgen und auch der „Stuhl oder Stock sambt der Hitten“, die bei der Folterung und Hinrichtung benötigt wurden. Während die Unkosten für diese Henkerswerkzeuge die Grafen von Nassau tragen mussten, waren die Bürger von Oberlahnstein verpflichtet, den Galgen oder Stuhl einschließlich aller Gerätschaften aufzurichten. Die Unkosten des sogenannten „Malefizverfahrens“ musste der Täter zahlen. Der Scharfrichter wurde von den Grafen von Nassau entlohnt, dem die Hochgerichtsbarkeit unterstand. Da die Braubacher Gemarkung unmittelbar an die Gerichtsstätte grenzte und dort Weinberge angepflanzt waren, protestierten die Braubacher. Sie baten die Gerichtstätte zu verlegen.
Bei der Verfolgung der Hexen wurden vornehme und junge, reiche und arme Bürger von bestem Rufe unbarmherzig ergriffen und eingesperrt. Deren Güter und Vermögen wurden restlos eingezogen. Die Gerichtsverfahren - falls man sie so nennen darf - wurden nicht mehr ordentlich durchgeführt und die Folterwerkzeuge und Märterhäuser streng geheim gehalten. Oft wurden nicht einmal die Namen der Opfer bekannt gegeben. Diese allgemeingültige Feststellung wird dadurch bestätigt, dass 1651 in Niederlahnstein der Schöffe Hans Georg Niebern wegen Zauberlasters angeklagt wurde und sich nur durch Flucht retten konnte. So sind heute nur wenige Opfer dieses Hexenwahns namentlich bekannt. Von den Gerichtsverhandlungen liegen keine Protokolle vor, und die wenigen, die der Folterung durch Flucht entkamen, waren froh, dem Schrecken und der Grausamkeit entronnen zu sein, und dachten nicht daran, ihr Leid schriftlich zu überliefern. - © Bernhard Geil Stadtarchiv Lahnstein
Primärquellen aus dem Stadtarchiv Lahnstein
Beschuldigung als Hexe
(Oberlahnsteiner Schöffenbuch, OL 110, S. 124)
Samstag nach Maria Virginis 1524
„Tringen [Katharina], Tochter der Margarethe Schlossers aus Oberlahnstein, war bei Johann Hundsrücker, dem Beseher [Zollbeamter], Dienstmagd. Sie ging nach Andernach und wurde von einer Frau Parze aus Andernach der Zauberei bezichtigt.
Doch vor Gericht geladen, sagt Parze den Schöffen aus, dass sie nichts Böses von der Tringen weiß.“
Zusammenfassung:
Katharina Schlosser aus Oberlahnstein wird in Andernach von einer Frau der Zauberei beschuldigt. Vor Gericht sagt die Klägerin aus, dass sie dies nicht so gemeint habe.
Hätte die Klägerin ihre Anschuldigung aufrecht erhalten, wäre Katharina Schlosser wahrscheinlich als Hexe verbrannt wurden.
Beschuldigung als Hexen(pfeifer) 1638
(Gerichtsprotokoll Klagsachen, OL 103)
„Georg Müller übergab schriftlichen Rezess [Schreiben] wegen Wilhelm Jung gegen Hans Glaßer Bitt nach Inhalt seiner vorigen Supplikation. Beklagter gesteht einen Pfeifer [der auf den Schädeln der Hexen tanzt] gescholten [beschimpft] zu haben, dass er ihn aber einen Hexenpfeifer gescholten, solche wird nicht können erwiesen werden.
Dekretum [vom Gericht]: Kläger solle, ob er will, sein Anbringen bescheinen und zugleich gegen morgigen Gerichtstag die Schrader [Name der Zeugin] vorbescheiden[vorladen]. Actum ut supra.“
Zusammenfassung:
Müller ist gerichtlicher Berater, tritt als Anwalt für Wilhelm Jung auf. Jung klagt gegen Glaßner, weil der ihn als Pfeifer beschimpfte. Der Angeklagte gesteht, den Jung nur einen „Pfeifer“ genannt zu haben, aber nicht einen „Hexenpfeifer“.
Hexenverfolgungen
(Gerichtsbuch Oberlahnstein, OL 105, 20.01.1660)
„Malefizsach.
Eodem [am gleichen Tag] ist mit Belieben eines ersamen Gerichts, Rats und ganzer Bürgerschaft uff die unholden und verdammlichen Zaubereylaster allermeist los zu gehen und zu dessen besseren Effekt ein Memorial [Erinnerungsschreiben] an Ihro Gnaden, unseren Herrn Amtmann abzufertigen, uff dem Rathauses einhelliglich der Schluss gemacht worden.“
Zusammenfassung:
Man soll die Hexen verfolgen. Die Bürger wollen den Rückhalt des Amtmanns.
9. September 2014
Der Stadtarchivar von Lahnstein stellt diese Informationen zur Verfügung:
Vielen Dank Bernhard Geil!
Stadtverwaltung Lahnstein Lahnstein, den 25.09.2008FB1 – Stadtarchiv - Sachbearbeiter: Geil
Pressedienst
Hexenverfolgung in Lahnstein
Der Name „Hexenturm“ lässt automatisch die Frage aufkommen, ob es in Lahnstein Hexenverfolgungen gab. Im Spätmittelalter waren alle, vom kleinen Bauern bis zum Gelehrten, überzeugt, dass Teufel und Hexen die Pest herbeizauberten. Vom Wahnwitz erfasst, begann im 15. Jahrhundert in ganz Europa eine wilde Verfolgung völlig harmloser Personen, denen man Verzauberung von Menschen, Tieren und Feldfrüchten, aber auch sträflichen Verkehr mit dem Teufel vorwarf. Besonders schöne Menschen, außergewöhnliche Hässlichkeit, verkrüppelte Frauen und Männer, Menschen mit ernster Natur oder mit ausgelassener Heiterkeit, Frauen und Männer mit roten Haaren wurden als Hexen bezeichnet und solange gefoltert, bis sie bekannten, entweder verhext oder selbst eine Hexe zu sein.
In Oberlahnstein galt das Weihertal als Tanzplatz für die Orgien dieser Hexen. 1630/31 wurden Adam Eymuth und Johann Weissbecker als Hexenspürer („magiae inquisitores“) eingesetzt. Sie hatten jeden Bürger zu beobachten und anzuzeigen, der entweder verhext oder als Hexe anzusehen war. Im Hexenturm wurden diese Menschen von dem Foltermeister mit raffiniert ausgeklügelten Marterwerkzeugen so grausam gefoltert, dass sie vor Schmerzen den Verstand verloren und in ihrer geistigen Machtlosigkeit auch Unmögliches und Unglaubliches zugaben. Das Erdgeschoss des Turmes diente als Verlies, hatte es doch als einzigen Zugang ein Loch in der Decke, durch das die Gefangenen abgeseilt wurden. Nach einem Bekenntnis wurden sie „in der Carthause“ (vermutlich beim Michelstor neben dem Salhof) oder am Schlierbach verbrannt oder ersäuft.
Der Hexenwahn tauchte in Oberlahnstein 1573 ganz plötzlich auf und dauerte nur drei Jahre an. Im ersten Jahr wurden zwei Zauberinnen verurteilt und „erseufft“ sowie drei „Weiber verbrennet“. Diese hatten bei den Verhören eine weitere Frau der Zauberei bezichtigt. Da ihr offensichtlich bekannt war, dass es bei einer derartigen Anklage wegen der „peinlichen Verhöre“ (Folter) nahezu unmöglich war, seine Unschuld zu beweisen, erhängte sie sich in ihrem Haus. Der Witwer heiratete dann eine Frau aus Niederlahnstein, von der er nur drei Wochen später „aus ahnregungh boesen feindis“ im Bett erschlagen und im Misthaufen verscharrt wurde. Kurz darauf grub die Mörderin die Leiche wieder aus, wickelte sie in Stroh und ließ sie so drei Wochen im Stall liegen. Vor Gericht gab sie an, alles auf „Anweisung eines bösen Feindes“ (vermutlich Wahnvorstellungen) getan zu haben. Wegen dieser „unerhört schrecklichen that“ wurde „die Täterin ausgewiesen“. Eine gesunde Frau wäre hingerichtet worden.
Im Jahr 1574 fand keine Hinrichtung statt. Nur „ein in der Nacht gefangenes Weib“ wurde nach den Verhören, in denen sie „nichts bekennen“ wollte, des Landes (Kurmainz) verwiesen. Sie brauchte also nur nach Niederlahnstein (Kurtrier), Braubach (Kurpfalz) oder Rhens (Kurköln) zu gehen, um im Ausland zu sein. 1575 ist im Schöffenbuch nachzulesen, dass zwei Zauberinnen „in der Carthause“ ersäuft und drei Frauen dort verbrannt wurden. Danach kehrte jahrzehntelang Ruhe ein.
Erst im Chaos des Dreißigjährigen Krieges fanden 1622 und 1630 wieder Hexenprozesse statt, bei denen zwei Männer hingerichtet wurden, im Jahr 1630 durch Enthaupten und Verbrennen.
Zum Vergleich: Im Jahr 1630 starben in Koblenz 24 Menschen wegen Hexerei, in Becheln zwei, in Rhens in den Jahren 1645-1647 zehn.
Weitere Verfolgung wurde dann von dem aufgeklärten Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) verboten.
Der heutige Name „Hexenturm“ wird in den Quellen erstmals 1727 genannt. Im 15. Jahrhundert wurde er noch als „Gysenthorn“ bezeichnet, auf dem auf Anordnung des Erzbischofs zwei Wächter ihren Dienst zu versehen hatten. Laut Quirin Müller (geb. 1796) waren 1810 noch Folterwerkzeuge im Turm zu sehen. Deshalb bezeichnet er in seiner Beschreibung von 1869 den Turm als Folterturm. Auch die Nassauische General-Domainen-Direktion bezeichnet den Turm bei der Versteigerung des Zwingers 1821 als Folterturm. Später wird er nach dem neuen Besitzer „Gosebruchs Turm“ genannt. 1890 kaufte die Stadt Lahnstein von den Erben Gosebruchs den Turm. In den Kriegsjahren 1944/45 wurde der Turm zum Hochbunker umgebaut, der etwa 200 Personen Schutz bot. In den 1950er Jahren diente das Erdgeschoss dem Technischen Hilfswerk (THW) als Lagerraum, ehe die Sanierung begann.
Das Foto aus den 1930er Jahren zeigt den Turm noch ohne Wehrgang und Zinnen. Der Wehrgang wurde erst 1964 rekonstruiert, die Zinnen 1978 aufgesetzt.
Im Auftrag:
(Winfried Ries)
an die RLZ (Frau Cetto) für die Sonderbeilage zum Markt am Hexenturm am 12.10.2008
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