Die Rentnerin, die mit ihrer schmalen Rente kaum ein würdiges Leben bestreiten kann und deshalb Flaschen und Dosen sammelt, um sie in den Automaten der Supermärkte in ein paar Euro einzutauschen - und der verkrüppelte Osteuropäer auf der Zeil, herangekarrt von einer geschäftstüchtigen Mafia, der mich für ein Almosen erweichen will – sind sie die gleichen Hilfsbedürftigen?
Vor den sonntäglichen Demos von Pulse of Europe habe ich immer auf dem Römerberg und vor der Paulskirche halt gemacht. Ertragreiche Orte voller Touristen aus aller Welt, also auch immer gute Plätze für Gaukler und Bettler. Eine umtriebige Frau ist mir aufgefallen. Sie gab mit Gesten und Worten, die ich nicht verstand, ihre Anweisungen an die „Mitarbeiter“. Eine Stunde später habe ich sie auf dem Goetheplatz wieder gesehen. Unweit der Polizeiautos war sie wieder am gestikulieren. Und dann zwängten sich die osteuropäischen Bettler mit demütigen Blicken Plastikbecher oder Mütze in der Hand durch die Reihen der Demonstrierenden. An den Steinbänken am Rande des Platzes wurde dann später nach der Demo mit ihr abgerechnet.
Frappierend sind die Parallelen zwischen heute und dem ausgehenden Mittelalter und den folgenden Jahrhunderten: Da sind die „würdigen“ Armen, manchmal auch „verschämte“ Arme genannt und die „unwürdigen“ meist Fremde, die Bettler, Vagabunden, Zigeuner, deren Armut man nicht nachprüfen konnte, die auch zu Dieben werden konnten. Immer öfter wurden sie vertrieben, in die Gefängnisse gesteckt oder aufgehängt. Je effektiver die städtische Armenfürsorge wurde, um so restriktiver ging es den fremden Armen „an den Kragen“. Linz